Pforzheim Leopoldplatz 2003 - Historisches Zentrum der Stadt

Bohnenberger Schlössle und Schlössle-Galerie – Ehemaliges Wahrzeichen Pforzheims

Das Bohnenberger Schlössle war ein bedeutendes Wahrzeichen Pforzheims. 1826 erbaut, Weinbrenner-Stil, Familie Bohnenberger, zerstört 1945, heute Schlössle-Galerie. Symbol des Wandels von der Industrie zur modernen Stadt.

Bohnenberger Schlössle und Schlössle-Galerie

Das Bohnenberger Schlössle war einst ein bedeutendes Wahrzeichen Pforzheims und spiegelt in seiner Geschichte den Wandel der Stadt vom bürgerlichen Industriezentrum über die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bis hin zum modernen Wiederaufbau wider.

Historische Karte

Die interaktive historische Karte zeigt die Lage des ehemaligen Bohnenberger Schlössles in der Brötzinger Vorstadt. Heute steht an dieser Stelle die Schlössle-Galerie, die an das historische Wahrzeichen erinnert.

Ursprung und Bau des Bohnenberger Schlössles

Bau 1826

Der Ursprung des Areals reicht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1826 ließ Theodor Bohnenberger, Sohn des erfolgreichen Unternehmers Friedrich Bohnenberger, auf dem Gelände der damaligen Brötzinger Vorstadt eine repräsentative Villa im Weinbrenner-Stil errichten. Der Entwurf stammte vom Architekten Karl August Schwarz, einem Schüler Friedrich Weinbrenners, und entsprach dem gehobenen Geschmack der Pforzheimer Industriellenfamilien jener Zeit.

Anwesen und Park

Das Anwesen, im Volksmund bald „Bohnenberger Schlössle" genannt, lag inmitten eines weitläufigen Parks mit Nebengebäuden und war Ausdruck des wirtschaftlichen Aufstiegs der Familie.

Die Bohnenberger Familie

Die Bohnenbergers gehörten zu den prägenden Unternehmerfamilien Pforzheims: Friedrich Bohnenberger hatte Ende des 18. Jahrhunderts eine erfolgreiche Bijouteriefabrik gegründet und später die Papiermühle in Niefern übernommen, die er mithilfe moderner englischer Technik zur Keimzelle der badischen Papierindustrie machte. Sein Sohn Theodor führte dieses Vermächtnis fort und ließ sich mit dem Schlössle ein standesgemäßes Domizil errichten.

Nutzung und städtebauliche Bedeutung

Verfall nach 1864

Nach dem Wegzug der Familie im Jahr 1864 blieb das Anwesen zunächst ungenutzt und verfiel zusehends. Zeitzeugen beschrieben es als „verwunschenes Märchenschloss inmitten eines verwilderten Parks".

Städtischer Besitz ab 1897

1897 ging das Schlössle mit seinen Nebengebäuden in städtischen Besitz über. Fortan erhielt das Areal eine öffentliche Funktion und wurde zu einem kulturellen und sozialen Mittelpunkt der Stadt.

Öffentliche Nutzung 1909-1945

1909–1945 beherbergte das Hauptgebäude die Volksbücherei, daneben waren zeitweise das Arbeitsamt, eine Gemäldegalerie, eine Kinderkrippe und ab 1936 das Stadtarchiv im westlichen Nebengebäude untergebracht. Der Gewölbekeller, ursprünglich als Weinkeller konzipiert, diente im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzkeller.

Zerstörung im Zweiten Weltkrieg

23. Februar 1945

Beim verheerenden Luftangriff auf Pforzheim am 23. Februar 1945 wurde das Bohnenberger Schlössle vollständig zerstört. Nur der Keller überstand den Angriff, doch die Druckwelle einer nahe explodierenden Luftmine tötete alle Menschen, die dort Schutz gesucht hatten. Damit endete die Geschichte des Schlössles als Bauwerk tragisch.

Nachkriegszeit und jahrzehntelange Brachfläche

Nutzung als Freifläche

Nach dem Krieg wurde das Gelände nicht wieder bebaut. Der südliche Teil wurde als Parkplatz genutzt, der nördliche Bereich an der Kiehnlestraße diente als Spiel- und Pausenhof für die Schüler des benachbarten Hilda-Gymnasiums. Über Jahrzehnte blieb das Grundstück eine der letzten größeren Freiflächen in der Innenstadt, die als „grüne Lunge" galt.

Bürgerdebatte Anfang 2000er Jahre

Anfang der 2000er Jahre entbrannte eine lebhafte Debatte um die Nachnutzung des Areals. Während die Stadt plante, das Gelände an einen Investor zur Errichtung eines Einkaufszentrums zu verkaufen, regte sich aus der Bürgerschaft Widerstand. Bürgerinitiativen, das Hilda-Gymnasium und die „Lokale Agenda"-Gruppe forderten, das Areal solle als öffentlicher Park mit Spielplätzen, Café und Markthalle gestaltet werden.

Stiftungsurkunde und Entscheidung

Dabei wurde auch auf die ursprüngliche Stiftungsurkunde der Familie Bohnenberger verwiesen, die angeblich eine Nutzung „für öffentliche Zwecke" vorsah. Dennoch entschied sich der Gemeinderat für den Verkauf.

Bau und Eröffnung der Schlössle-Galerie

Grundsteinlegung 2003

Im Oktober 2003 legte der Düsseldorfer Investor Amsteland MDC den Grundstein für den Neubau. Während der Bauarbeiten wurde im November 2002 eine britische 250-kg-Fliegerbombe entdeckt, was die Evakuierung von rund 5.000 Anwohnern erforderlich machte. Die Bombe konnte erfolgreich entschärft werden.

Bau der Schlössle-Galerie Pforzheim 26. Oktober 2003

Bau der Schlössle-Galerie Pforzheim, 26. Oktober 2003

Bau der Schlössle-Galerie Pforzheim 3. Juli 2004

Bau der Schlössle-Galerie Pforzheim, 3. Juli 2004

Eröffnung 2005

Die neue Schlössle-Galerie wurde schließlich 2005 eröffnet. Sie umfasst ein Einkaufszentrum mit mehreren Etagen, ein integriertes Parkhaus (eine Bedingung der Stadt für die Baugenehmigung) sowie einen Bürotrakt im hinteren Bereich. Charakteristisch ist das begrünte Dach, das über eine Treppe zugänglich ist und als öffentlicher Dachgarten gestaltet wurde – eine moderne Reminiszenz an den früheren Park des Bohnenberger Schlössles.

Bedeutung und Symbolik

Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Der Name „Schlössle-Galerie" erinnert bewusst an das historische Bohnenberger Schlössle und soll die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart verdeutlichen. Das heutige Einkaufszentrum steht symbolisch für den strukturellen Wandel Pforzheims – von der industriell geprägten Stadt über die Kriegszerstörung hin zu einer modernen, konsumorientierten Innenstadt.

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