Südweststadt mit Rodgebiet Geschichte – Vornehmes Villenviertel von Pforzheim
Die Geschichte der Südweststadt mit Rodgebiet, eines vornehmen Villenviertels in Pforzheim. Gründerzeit und Jugendstil, denkmalgeschütztes Ensemble, Wasserturm, Auferstehungskirche. Das Viertel überstand den Luftangriff 1945 weitgehend unzerstört.
Inhaltsverzeichnis
Südweststadt mit Rodgebiet
Die Südweststadt von Pforzheim gehört zu den architektonisch und historisch besonders interessanten Stadtteilen der Stadt. Sie blieb beim verheerenden Luftangriff vom 23. Februar 1945 weitgehend unzerstört, wodurch viele Gebäude aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erhalten blieben.
Das Rodgebiet bildet den Kern der Südweststadt und ist bis heute eines der vornehmsten Wohnviertel Pforzheims. Mit seinen Villen aus der Gründerzeit und dem Jugendstil sowie dem denkmalgeschützten Ensemble steht es für gehobenes, historisch gewachsenes Wohnen in der Goldstadt.
Das Rodgebiet - Ursprung und Entwicklung
Ursprung und Name
Das Rodgebiet bildet den Kern der Südweststadt und ist bis heute eines der vornehmsten Wohnviertel Pforzheims. Der Name „Rod" geht auf die Rodung eines vormals bewaldeten Gebiets im Mittelalter zurück. Ursprünglich war das Areal Teil der Gemeinde Dillweißenstein und diente lange Zeit als Weideland für deren Bauern.
Die Rodung des Waldes schuf neues Weideland und ermöglichte später die Bebauung des Gebiets.
Mittelalterliche Geschichte
Bereits im 12. Jahrhundert entstanden im Umfeld Burgen wie Kräheneck und Weißenstein, und im 13. Jahrhundert hielten die Herren von Weißenstein auf dem Rod Gericht. Bis ins 18. Jahrhundert kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Dillweißenstein und Pforzheim um Weiderechte auf dem Gelände.
Diese Auseinandersetzungen zeigen die Bedeutung des Gebiets als Weideland und die territorialen Interessen der verschiedenen Herrschaften.
Industrialisierung und Villenbau
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wandelte sich das Rodgebiet grundlegend: Ab den 1850er-Jahren begannen wohlhabende Pforzheimer Fabrikanten und Bürger, dort Villen mit großzügigen Gärten zu errichten. Das Areal galt bald als exklusive, fabrikfreie Zone und wurde zum bürgerlichen Villenviertel der Goldstadt.
Diese Entwicklung spiegelt den Wohlstand wider, den die Schmuck- und Uhrenindustrie nach Pforzheim brachte, und zeigt das Bedürfnis der wohlhabenden Bürger nach repräsentativen Wohnsitzen außerhalb des industriellen Zentrums.
Wasserturm - Wahrzeichen des Viertels
Der Wasserturm auf dem Rodrücken, 1899/1900 nach Plänen von Alfons Kern erbaut, diente sowohl der Wasserversorgung als auch als Aussichtspunkt – und wurde zum Wahrzeichen des Viertels. Er symbolisiert die infrastrukturelle Erschließung des Gebiets und die Bedeutung des Viertels für die Stadt.
Architektur und Stadtbild
Villen und Stadthäuser
Das Rodgebiet ist geprägt von Villen und Stadthäusern aus der Gründerzeit und dem Jugendstil. Besonders die Friedenstraße bildet mit ihren prachtvollen Häusern das Rückgrat des Viertels. Viele Bauten stammen aus der Zeit um 1900 und spiegeln unterschiedliche Architekturstile wider: vom Neoklassizismus über Neobarock bis hin zu Jugendstilvarianten mit regionalen Elementen.
Diese architektonische Vielfalt macht das Rodgebiet zu einem einzigartigen Zeugnis der Baukunst um die Jahrhundertwende.
Herausragende Villen
Herausragende Beispiele sind Villa Wankel (1897), Villa Beck (1903), Villa Rodi (1906), Villa Kopp (1913) und die Villa Trunk (1922). Im Volksmund sprach man von den „Schlössle", weil manche dieser Villen an kleine Schlösser erinnerten.
Diese Villen zeugen vom Reichtum und dem Repräsentationsbedürfnis der Pforzheimer Fabrikanten und zeigen die hohe Qualität der Architektur im Rodgebiet.
Arbeiterwohnhäuser
Auch Arbeiterwohnhäuser aus der Baugenossenschaft Pforzheim (gegründet 1871) finden sich im Viertel – etwa in der Genossenschaftsstraße oder Glümerstraße –, die als frühe Beispiele sozialen Wohnungsbaus in Deutschland gelten. Diese Mischung aus Villen und Arbeiterwohnungen zeigt die soziale Vielfalt des Viertels.
Entwicklung und Eingemeindung
Infrastrukturelle Erschließung
Die infrastrukturelle Erschließung des Rodgebiets brachte für Dillweißenstein erhebliche Kosten (Kanalisation, Straßenbau, Gasversorgung, Straßenbahn). Diese Belastung führte 1913 zur Eingemeindung Dillweißensteins nach Pforzheim, wodurch das Rodgebiet endgültig Teil der Stadt wurde.
Die Eingemeindung war ein wichtiger Schritt in der Entwicklung Pforzheims und zeigt, wie die wachsende Stadt ihre Umgebung integrierte.
Straßennamen und historische Symbolik
Kriegserinnerungen
Viele Straßen im Rodgebiet tragen Namen, die an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 erinnern – etwa die Goebenstraße, Belfortstraße, Nuitsstraße oder Vogesenallee. Auch der Sedanplatz und die Friedenstraße verweisen auf den deutschen Sieg und die Reichsgründung von 1871.
Diese Straßennamen spiegeln den nationalen Enthusiasmus der Gründerzeit wider und zeigen, wie historische Ereignisse im Stadtbild verewigt wurden.
Die Auferstehungskirche
Erste deutsche Notkirche
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand im Rodgebiet die Auferstehungskirche, entworfen von Otto Bartning. Sie war die erste deutsche Notkirche nach dem Krieg und diente als Mahnmal gegen Zerstörung und Gewalt.
Die Kirche wurde zu einem Symbol des Wiederaufbaus und der Hoffnung nach den Zerstörungen des Krieges.
Bauweise und Konzept
Gebaut wurde sie 1946–1948 mit Hilfe von wiederverwendeten Trümmersteinen aus der zerstörten Innenstadt. Ihr schlichtes, zeltartiges Holztragwerk sollte den Menschen Schutz und Geborgenheit vermitteln.
Die Verwendung von Trümmersteinen war ein bewusstes Symbol für den Neuanfang aus den Ruinen und zeigt die Verbindung zwischen Zerstörung und Wiederaufbau.
Vorbild für Deutschland
Bartnings Konzept der „Notkirchen" wurde später in über 40 Städten Deutschlands wiederholt – als Symbol für Wiederaufbau und Versöhnung. Die Auferstehungskirche in Pforzheim war damit ein wichtiger Impulsgeber für den Wiederaufbau in ganz Deutschland.
Heutige Bedeutung
Denkmalschutz
Das Rodgebiet ist bis heute ein denkmalgeschütztes Ensemble (seit 1994) und steht für gehobenes, historisch gewachsenes Wohnen in Pforzheim. Es gilt als Zeuge der industriellen Blütezeit um 1900, die Pforzheim den Beinamen „Goldstadt" einbrachte.
Der Denkmalschutz sichert die Erhaltung dieses einzigartigen architektonischen Erbes für zukünftige Generationen.
Kultivierter Stadtbereich
Trotz wachsender Nachfrage nach Wohnraum und zunehmender Verdichtung bleibt das Viertel ein kultivierter und ruhiger Stadtbereich, geprägt von Geschichte, Architekturvielfalt und bürgerlichem Selbstverständnis. Die Kombination aus historischer Bausubstanz und moderner Lebensqualität macht das Rodgebiet zu einem besonderen Wohnstandort in Pforzheim.
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